Der Krümel

 

Wir schreiben das Jahr 1992. Es existiert ein Baggersee in einem kleinen Ort meiner Heimat. Dort traf man sich gern um zu Chillen, früher hat man das allerdings abhängen und saufen genannt. Das Bier hatten wir in Kisten besorgt, mit Mofas an das Ufer gebracht und an den Rand in Ufernähe ins Wasser gestellt. Es war warm und wir benötigten kaltes Bier, ich war 15 und es war eine verdammt spannende Zeit. Viele Dinge sind mit 15 das erste Mal passiert, selbst das erste Mal ist mit 15 passiert.

Wir waren ca 30 Leute am See, es wurden immer mehr, wir wurden immer voller und die Welt fühlte sich prall und rund und toll an, alles drehte sich immer schneller. Wir hörten Nirvana und Metallica und Dead Kennedys. Und dann waren da noch die „älteren“, die plötzlich auftauchten. Älter bedeutete zu der Zeit eine Klasse über uns, also vielleicht nen Jahr älter, aber das war zu der Zeit ne ganze Generation. Einer von Ihnen hiess Mömmel und er hatte etwas geheimes dabei, womit er trotzdem herumprotzte. Hasch. Puuuuh, harte Drogen waren das für die meisten, Respekt zollten wir Dorfmenschen diesem wilden Hippie, wo hatte er das bloss her? Aber wir trauten uns nicht richtig ran, Lars und ich standen mit ein paar anderen Abseits des Verbotenen aber beäugten ganz genau was dort geschah. Etwas wurde mit dem Feuerzeug erhitzt und in Tabak gestreut. Das Geschrei war gross als etwas davon herunter gefallen war. Warum weiss ich bis heute nicht, aber ich konnte aus 5 meter Entfernung ganz genau sehen wo das Stück verbotene Frucht gelandet war, inmitten einer grünen Wiese. Und ich hoffte, dass sie die Suche bald aufgeben würden, was auch geschah. Nun war meine Stunde gekommen und als die Gruppe älterer Weg war, ging ich zu der Stelle, die sich in mein Hirn eingebrannt hatte und zuppelte dieses einkarätige Stück braungrüne Gold aus dem Gras – ohne dass dies irgendjemand bemerkte.

Ein anderer Tag – bei mir daheim – Lars war da und die Zeit war reif. Ich beteuerte ihm es halte sich um etwas sehr wichtiges, wir müssen an einen geheimen Ort wo uns niemand findet und möglichst weit von zuhause Weg, da ich ihm etwas zeigen müsse. Wir gingen die Sackgasse runter bis zum Ende und hockten uns ins Gebüsch neben den Bahnschienen. Rauchen konnten wir, aber nicht drehen. Das sollte sich allerdings aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen schnell ändern. Lars staunte auf jeden Fall nicht schlecht als ich ihm vor die Nase hielt was ich erbeutet hatte. Also versuchten wir das technisch anzuwenden was wir gesehen hatten um das hinzubekommen was wir rauchen wollten – einen Joint. So ambitioniert hatte uns die Textillehrerin bestimmt noch nie gesehen, wir waren so aufgeregt, dass wir am Ende etwas zusammenfalteten, was man von weitem nicht als das was es sein sollte erkennen konnte, für uns reichte es aber. Das schmeckte irgendwie anders und wir wussten auf keinen Fall was nun passieren würde. Vielleicht blieben wir direkt drauf hängen, vielleicht fingen wir direkt mit Heroin an – wer wusste das schon damals. Schliesslich hatte ich bereits Wir Kinder vom Bahnhof Zoo gesehen und auch wir wollten Heroes für mindestens einen Tag sein. Aber es kam anders: Wir warteten und warteten und plötzlich fingen wir beide an zu grinsen. Wir lachten – wir fanden es „abgefahren“ und wir überlegten wie wir jemals wieder nach Hause kommen würden.

Jahre später gestanden wir uns beide ein eigentlich nichts gemerkt zu haben, so ist es wohl bei vielen beim ersten mal. Genauso wie beim Ficken, da kommt beim ersten Mal auch nicht viel.